Kantone starten nationale Kampagne gegen Glücksspielsucht
Mit Geldspielen in virtuellen Casinos, bei Sportwettenanbietern, beim Online-Poker oder in Lotterien gibt es für Schweizer eine Vielzahl an Möglichkeiten, ihr Geld zu verspiene. Damit hat sich nicht nur ein bedeutsamer Wirtschaftszweig entwickelt – mit dem Boom des Glücksspiels ist auch die Zahl der Personen, die an Spielsucht leiden angestiegen. Die Kantone wollen nun gegensteuern und haben eine neue Kampagne gegen Glücksspielsucht ins Leben gerufen.
Laut einer neuen Studie hat sich die Zahl der Menschen mit Suchtproblemen in der Schweiz innerhalb der letzten drei Jahre verdoppelt.
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Da man 2019 ein neues Geldspielgesetz etabliert hat, war es nun auch an der Zeit, eine nationale Kraftanstrengung und Präventionskampagne zu starten, um der Spielsucht im Land entgegenzutreten. Diese wurde von den Kantonen gemeinsam entwickelt und soll nun schnelle und auch nachhaltige Erfolge liefern.
Schweizer verspielen immer mehr Geld
Natürlich war es ein nationales Interesse, dass die Zahl der Online-Glücksspielangebote steigt – schliesslich ist ein neues Geldspielgesetz verabschiedet worden, das seit 2019 in Kraft ist. Die Steuereinnahmen liessen die Staatskasse klingeln. Doch nun gehen auch Probleme einher, die die Kantone gemeinsam angehen möchten.
Eine Studie von Sucht Schweiz und GREA hat ergeben, dass in den letzten Jahren der Anteil der problematischen Spieler von 2,3 auf 5,2 Prozent innerhalb der Bevölkerung gestiegen ist. Zusammen mit den Usern mit «mässigen oder problematischem Risikoprofil» steigt der Anteil damit sogar auf 6,6 Prozent.
Besonders hoch ist der Anteil bei den 18- bis 29-Jährigen. In der Studie heisst es, dass hier 18,8 Prozent ein problematisches Spielverhalten aufweisen würden.
Vor allem junge Männer sind betroffen. Diese Personen geben in Online-Casinos oder bei Wettanbietern auch das meiste Geld aus. Durchschnittlich sollen es laut Studie 162 Franken im Monat sein. Im Gesamtdurchschnitt sind es 105 Franken pro Monat, die an Glücksspielanbieter fliessen.
Neuartige Finanzmarktwetten sind im Kommen
Am häufigsten werden laut der neuen Studie Online-Lotto-, Ziehungs- oder Rubbelspiele gewählt. Mit deutlichem Abstand folgen Sportwetten und Online-Spielautomaten. Der Anteil der Online-Poker-Spieler ist dagegen zurückgegangen, da das erste legale Online-Portal erst im Dezember 2020 gestartet ist. Zuvor hatte man in der Schweiz die ausländischen Anbieter eingeschränkt.
In der Studie werden aber auch die so genannten «Finanzmarktwetten» abgebildet, die ebenfalls ein nicht zu unterschätzendes Suchtpotenzial haben. Dabei werden Portale für Investitionen auf rein spekulative Art und Weise genutzt. Vor allem die 18- bis 39-Jährigen wären für diese Zockereien anfällig, heisst es laut der Studienautoren.
Mittlerweile ist der Zugang auch um ein Vielfaches leichter als noch früher. Die Transaktionskosten sinken, der Zugang zu Devisenmärkten wird einfacher und die Geschäfte können in Echtzeit vonstattengehen. Für viele Online-User sind diese Finanzspiele nichts anderes als das Gambling in Casinos oder bei Sportwetten.
Nationale Präventionskampagne der Kantone startet
Es gibt zahlreiche Faktoren, die dafür sorgten, dass das Online-Glücksspiel einen derartigen Boom erfahren hat: Durch die Corona-Pandemie hat sich das Spiel zunächst komplett auf den Online-Markt verschoben. Viele Spieler sind geblieben und nutzen die vielen Vorzüge der Online-Portale.
Zudem ist das Angebot im Gesamten gewachsen, es wurde intensives Marketing aufgefahren und das inhaltliche Angebot und die Bonusprogramme wurden nach und nach verbessert. Sprich: Die Anreize für die Online-Angebote wurden immer lukrativer.
Doch die Studie zeigt auch, dass ein Drittel der User nichts von den bestehenden Hilfsangeboten zur Suchtprävention in der Schweiz weiss. Da vor allem auch jüngere Spieler Gefahr laufen, in eine Spielsucht zu rutschen, haben die Kantone eine nationale Präventionskampagne ins Leben gerufen, die nun echte Erfolg bringen soll.
Erste Anlaufstelle ist die Seite gambling-check.ch in deutscher, italienischer und französischer Sprache. Hier kann man sich mit seinem eigenen Spielverhalten auseinandersetzen kann. Dazu gibt es Tipps, um das Risiko gering zu halten und Kontakte zu bereits bestehenden Hilfsangeboten. Darunter sind eine kostenlose telefonische Beratung, eine anonyme Online-Beratung oder ein persönlicher Vor-Ort-Termin.
Die Kampagne geht von allen Schweizer Kantonen und dem Fürstentum Liechtenstein aus und wird von der Organisation Sucht Schweiz mit Sitz in Lausanne ausgeführt. Zudem bestehen Kooperationen mit der Spielsucht-helpline, dem Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte, dem Verein für Jugendfragen, Prävention und Suchthilfe, Spielen ohne Sucht, der Gruppo Azzardo Ticino Prevenzione und dem Programme intercantonal de lutte contre la dépendance au jeu.
Glücksspiel ist keine Randerscheinung mehr
Das Phänomen ist weltweit bekannt: Spielsucht wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO als psychische Störung anerkannt. Da immer mehr junge Menschen betroffen sind und auch der Zugang über die Online-Angebote mehr und mehr vereinfacht wird, steigt auch die Zahl der Spielsüchtigen und der potenziellen Gefahren weltweit.
Aufgrund von teils aggressiver Werbung werden viele junge Menschen schon früh an das Glücksspiel herangeführt. Zudem ist es nicht länger ein Nischenbereich, sondern allgegenwärtig – besonders durch den Sport. Beim Fussball sind Online-Casinos und Wettanbieter bei zahlreichen Teams auf Trikots oder in Stadien auf Werbebannern zu sehen. Auch verwandte Bereiche wie der E-Sport zieht vor allem jüngere Personen an und oft ist der Weg zum Glücksspiel und zu einem eventuellen Suchtverhalten nicht besonders weit.
Laut Suchtexperten spielen heutzutage auch die so genannten Influencer eine gewichtige Rolle, die die Kinder und Jugendlichen auf den anschlägigen Kanälen antreffen und vermitteln, dass Glücksspiel ein harmloses und spassiges Hobby sei.
Auf die Gefahren wird so gut wie nie hingewiesen. Obwohl auch das Online-Glücksspiel erst ab 18 Jahren erlaubt ist, geht man davon aus, dass auch Kinder und Jugendliche die Angebote nutzen. Die Verbote könnten demnach zu leicht umgangen werden.
Vor allem Minderjährige müssen geschützt werden
Die allermeisten Menschen könnten ihr Verhalten in Online-Casinos oder bei Buchmachern wohl recht einfach im Griff behalten. Doch das Problem besteht meist bei den Anbietern, die das Nutzungsverhalten der User genau analysiert haben und entsprechend ausnutzen, so dass Spieler quasi in eine Falle laufen. So entstehen viele Grauzonen, die von Portalen genutzt werden können.
So sind zum Beispiel auch die so genannten «In-Game-Käufe» legal, mit denen man durch einen weiteren Geldeinsatz vermeintlich bessere Gewinnchancen erhält. Auch in bekannten Computerspielen ist das mittlerweile Gang und Gäbe. Um weiterzukommen, muss man sich diverse Items dazukaufen und freischalten, bevor man eine nächste Stufe erreichen kann.
Damit kommen auch immer mehr Minderjährige in Kontakt. Durch einen einfachen bargeldlosen Transfer geht alles schnell und einfach vonstatten und man läuft Gefahr, den Überblick über seine Finanzen zu verlieren.
Die psychische Gefahr gibt es häufig gratis noch dazu. Es kann eine Sucht entstehen, immer mehr zu wollen, Verluste auszugleichen oder sich mit Freunden und Kollegen zu messen. Die Verhältnismässigkeit wird dabei leider zu oft aus den Augen verloren.
Hilfsprogramme der Schweiz sollen bekannter werden
Dass Glücksspiel süchtig machen kann, ist auch medizinisch belegt. Die Auswirkungen im Gehirn eines Betroffenen gleichen denen eines Kokainabhängigen. So kann man den Ausstoss von Dopamin bei einem Gewinn mit dem High vergleichen, das drogenabhängige Personen beim Konsum verspüren.
Damit entsteht neben der stoffgebundenen auch eine körperliche Abhängigkeit der Personen. Experten sprechen von einer «hidden addiction», die demnach noch schwerer zu erkennen ist.
In der Schweiz gibt es schon seit Längerem viele Hilfsangebote für Spielsüchtige oder Menschen mit einer besonderen Gefährdung. Auch Casinospieler.ch weist regelmässig daruf hin. Das Problem, das die Kantone nun erkannt haben, liegt vor allem darin, dass viele dieser Möglichkeiten nicht bekannt waren.
Die Anbieter, die zwar verpflichtet sind, diese auf ihren Seiten zu zeigen, hatten kein übersteigertes Interesse, diese Anlaufstellen ins Schaufenster zu stellen. Klar: Wer weniger spielt, bringt auch weniger Geld.
Mit der neuen Kampagne zur Suchtprävention soll nun nicht nur für wenige Wochen etwas gegen Glücksspielsucht unternommen werden. Ziel ist es, dass die Möglichkeiten, sich helfen zu lassen, bekannter werden und dass man als Betroffener keine Scheu oder Scham verspürt, diese auch zu nutzen.
Florian Wein Redakteur
Florian ist Moderator, Sprecher und freier Redakteur bei Casinospieler.ch. Hier schreibt er vor allem über Neuigkeiten aus der Welt der Games und Glücksspiele.